In seinem Urteil zum Windpark Ste-Croix VD schreibt das Bundesgericht, dass Windkraftanlagen „flexibel und marktorientiert“ Strom produzieren könnten. Deshalb gelte die Windenergie als von nationalem Interesse, dem sich Natur- und Landschaftsschutz beugen müssten. Aufgrund dieser Annahme hat das Bundesgericht den Windpark gutgeheissen. Allerdings: Diese Annahme ist falsch. Windturbinen produzieren nur, wenn der Wind weht – weder flexibel noch marktorientiert.
Wortwörtlich schreibt das Bundesgericht in seinem vorgestern publizierten Urteil: „Windkraftanlagen bieten zeitliche und bedarfsgerechte Flexibilität der Produktion (Art. 15 Abs. 5 in fine EnG) und leisten insbesondere im Winter, wenn der Stromverbrauch am höchsten ist, einen wesentlichen Beitrag zur Versorgungssicherheit, indem sie das Netz je nach Bedarf be- oder entlasten können.“
(aus dem Französischen übersetzt)
Einerseits ist der zitierte Gesetzesartikel falsch – Art. 15 EnG betrifft nicht das Thema und hat auch nicht 5 Absätze – und andererseits widerspricht diese Aussage jeglichen physikalischen Gesetzen. Während Pumpspeicherkraftwerke tatsächlich auf Knopfdruck Strom produzieren oder verbrauchen (= speichern) können, produzieren Windkraftanlagen nur dann Strom, wenn der Wind weht; es besteht eine hohe Unsicherheit über Zeitpunkt und Höhe der Stromproduktion. Somit kann Windkraft auch nicht marktorientiert Strom produzieren. Schon gar nicht können Windkraftanlagen das Netz „entlasten“. Auch die im Urteil zitierten Quellenangaben belegen nicht die vom Gericht getätigten Aussagen.
Die Windenergie trägt aufgrund ihrer vom Wetter abhängigen Stromproduktion nur sehr wenig zur Versorgungssicherheit bei. Es muss jederzeit 100% Backup-Kapazität zur Verfügung stehen, um Windmangel auszugleichen. Auch von Oktober bis März, wo die Windenergie 58% der Jahresmenge produziert, kommt es zu tagelangen Flauten. Wir verweisen hier auf die VGB-Studie von 2018.
Nur aufgrund einer falschen Annahme kam das Bundesgericht zum Schluss, dass das betroffene Windparkprojekt nationales Interesse geniesse und damit alle anderen Interessen zweitrangig seien. Da sich bei vier weiteren Windpark-Projekten vor dem Bundesgericht die gleichen Fragen stellen, wird Freie Landschaft Schweiz beim Bundesgericht insistieren.
Würde kleinen Projekten wie dem Windpark Ste-Croix VD nationales Interesse zugemessen, so hätte man den Landschaftsschutz empfindlich geschwächt und eine Türe für Energieanlagen geöffnet, auch wenn eine ganzheitliche Gewichtung der Interessen dagegen spräche. Projekte wie jenes in Ste-Croix tragen nur mit einem Drittel Promille (0.03%) zur nationalen Stromversorgung bei. Mit anderen Worten gesagt: Man würde solche Anlagen gegenüber anderen Eingriffen in Natur und Landschaft privilegieren. Das würde dazu führen, dass die Windkraft einen Persilschein erhält.
Freie Landschaft Schweiz kritisiert diese undifferenzierte Haltung des obersten Schweizer Gerichts, die weder den physikalischen Gesetzen noch der Tradition der Schweiz als Land berühmter Landschaften und als Vorreiter im Umweltschutz entspricht.
In Anbetracht dessen, dass die Schweiz bereits sehr stark zersiedelt ist, muss auf die Solarkraft gesetzt werden. Diese hat ein 7x höheres Winterstrompotential gegenüber der Windenergie, ist speicherbar und versorgt unser Land sicher mit Wärme und Strom. Die Energiewende darf nicht ausgerechnet das zerstören, was wir mit der Energiewende schützen wollen: Die Biodiversität und unsere Landschaft.