Die Kirche (oder die Windkraftanlage) im Dorf lassen

In der Schweizer Medienlandschaft hat sich ein Ritual etabliert: Zu Beginn jedes Jahres veröffentlicht die Windkraftlobby Suisse Eole triumphierend eine Pressemitteilung, in der sie darlegt, dass die Produktion der Schweizer Windkraftanlagen einen neuen Rekord erreicht habe. Die Schweizerische Depeschenagentur SDA-Keystone übernimmt die Pressemitteilung und legt den Pressemedien eine Mitteilung vor, die von vielen Medien ohne Änderung eines einzigen Kommas wiedergegeben wird. Die Öffentlichkeit geht davon aus, dass sie objektive Informationen erhält. Bei genauerem Hinsehen wird jedoch klar, dass hinter dem medialen Ritual harte Wahrheiten stecken, die besser berücksichtigt werden sollten, wenn unser Land seine Stromversorgung nicht gefährden will.

Die Ausgabe 2025 des Rituals der Windkraftlobby erreicht neue Höhen. So erfahren wir in der SDA-Meldung, die ungefiltert die Windkraftlobby zitiert, dass 2024 „ein gutes Jahr, aber weniger außergewöhnlich als das Vorjahr“ gewesen sei. In Wirklichkeit produzierten die Windturbinen, die 2023 bereits in Betrieb waren, 11% weniger Strom. Allein die Anlagen im Jurabogen verzeichneten einen Rückgang von 15%. Das ist das, was mit „weniger außergewöhnlich“ gemeint ist: ein signifikanter Rückgang. Nur die sechs neuen Windkraftanlagen in Ste-Croix, die seit einem Jahr in Betrieb sind, konnten den Rückgang ausgleichen. Dies führte zum Ergebnis: Die Bruttogesamtproduktion „stieg“ um 0,9%. Aber das ist nur eine scheinbare Steigerung.

Letztendlich ist das Ergebnis nicht wichtig. Bei der Produktion von 46 Maschinen fällt eine Veränderung von plus oder minus 1% kaum jemandem auf. Es gibt also keinen Grund zum Triumphieren. Die einzige wichtige Information, welche die Zahlen liefern, ist die Instabilität der Windenergieproduktion. Da die Windenergie per Definition dem Wind ausgesetzt ist, kann sie von einem Jahr zum anderen und von Stunde zu Stunde erheblich schwanken. Das ist das Problem dieser Energieform: Sie kann die Versorgungssicherheit nicht gewährleisten. Es gibt keine Garantie dafür, dass die Sonne die geringeren Erträge ausgleicht oder den Bedarf deckt, wenn der Wind nicht weht. Was wie ein langsamer und stabiler Anstieg von Jahr zu Jahr aussieht, verbirgt in Wirklichkeit eine Schwankung, die im Hinblick auf die Versorgungssicherheit höchst problematisch ist.

Es kommt noch schlimmer: Laut der SDA-Meldung, die einmal mehr das Mantra der Windkraftlobby wiedergibt, „ist die Stärke der Windkraft ihre Produktivität im Winter: zwei Drittel der Produktion werden im Winter erzeugt, wenn die Solarproduktion sehr niedrig ist“. Die Zahlen zeigen, dass diese „Information“ falsch ist: Die Windkraft erzeugte im Winter 64% im Jahr 2023 und 56% im Jahr 2024. Das ist weit entfernt von zwei Dritteln. Darüber hinaus gibt es keinen Hinweis darauf, dass die Sonne scheint, wenn der Wind nicht weht. Dies ist besonders in diesem Winter der Fall (und problematisch), der durch eine Hochdruckdominanz geprägt ist, die zu häufiger Nebelbildung im Flachland führt, wodurch ein großer Teil der PV-Paneele unter dem Nebelmeer versinkt, während der Energieverbrauch hoch und die Windproduktion niedrig ist. Auch hier hätte man von der SDA eine etwas differenziertere Analyse erwarten können.

Ob die Windkraftproduktion in den einzelnen Jahren hoch oder niedrig ist, sie bleibt dennoch bedeutungslos. Im Jahr 2024 betrug sie nur 0,2% der gesamten in der Schweiz erzeugten Elektrizität. Die Moral dieser Geschichte ist woanders zu suchen, nämlich in der Art und Weise, wie unsere Nachrichtenagentur, die eine Monopolstellung bei der Erstellung von Meldungen für die Schweizer Medien hat, in die Falle der Desinformation tappt.