Die weitere Anerkennung der UNESCO-Welterbestätten La Chaux-de-Fonds – Le Locle und Reichenau am Rhein ist durch geplante Windparkprojekte in unmittelbarer Nähe auf den Gipfeln rund um den Vue-des-Alpes und auf dem Thurgauer Seerücken unmittelbar gefährdet. Im Wallis erfüllt das Hospiz des Grossen St. Bernhard, das seit 2016 auf der vorläufigen Liste des Bundes für die Ausschreibung zuhanden der UNESCO steht, aufgrund eines geplanten Windparkprojekts in Passnähe nicht mehr die Schutzbedingungen.
Die Stiftung Landschaftsschutz Schweiz sowie Freie Landschaft Schweiz warnen dringlich davor, Windkraftanlagen in der Nähe von UNESCO-Welterbestätten zu errichten. Die Bedrohung der Schutzgebiete ist sehr aktuell, im Kanton Thurgau und im Kanton Neuenburg schreitet die Planung von mehreren Projekten rasch voran. Auf dem Grossen St. Bernhard hat der Walliser Regierungsrat das Aufnahmegesuch zuhanden der UNESCO verunmöglicht, indem er die Einsprachen der Umweltverbände gegen einen Windpark beim Combe de Barasson in Passnähe abgewiesen hat.
Die Behörden des Landes Baden-Württemberg, in welchem sich die Klosterinsel Reichenau befindet, sind dermaßen besorgt, dass sich der Wirtschaftsminister direkt an Bern gewandt hat. Ebenso haben die Behörden von La-Chaux-de-Fonds – Le Locle das Bundesamt für Kultur diesbezüglich über die zuständige UNESCO-Expertenkommission kontaktiert. Diese Anfragen kommen zu einem ganz besonderen Zeitpunkt, da die beiden neuenburgischen Städte ab Ende Juni für ein Jahr den 10. Jahrestag der UNESCO-Eintragung des berühmten „urbanisme horloger“ feiern werden.
UNESCO Welterbestätte „Urbanisme horloger“ La Chaux-de-Fonds – Le Locle
Für die Städte La Chaux-de-Fonds und Le Locle sind die Pläne sehr konkret. In der Nähe sind drei Windparks geplant: Crêt Meuron (Tête de Ran), Montperreux (La Vue-des-Alpes) und La Joux-du-Plâne (Quatre Bornes), für insgesamt 27 Turbinen gemäss kantonaler Planung.
Das Baugesuch für den geplanten Windpark Crêt-Meuron und die öffentliche Auflage des Projekts Quatre Bornes könnten bereits in der zweiten Jahreshälfte 2019 erfolgen. Das Projekt Montperreux scheint „verspätet“ zu sein, aber schreitet ebenso voran. Die Auswirkungen auf die Landschaft sind im Hinblick auf die UNESCO-Klassifizierung der beiden Städte erheblich und problematisch, da einige Anlagen weniger als 4 km von den zentralen Bereichen der Standorte entfernt stehen.
Rechts auf dem Bild: Windpark-Projekte auf dem Crêt-Meuron, Montperreux und La Joux-du-Plâne.
Links: in rot: Kernzone Welterbe La-Chaux-de-Fonds und Le Locle in blau: Pufferzone
Windpark | Distanz zum Welterbe | Abstand zur Pufferzone |
Crêt-Meuron | ~ 3.6 km | ~ 1.6 km |
Montperreux | ~ 3.6 km | ~ 1.5 km |
La Joux-du-Plâne | ~ 8 km | ~ 5 km |
Mont Saint-Michel – eine beispielhafte Reaktion
In Frankreich, wo 44 UNESCO-Weltkulturerbe-Stätten eingetragen sind, darunter 39 Kulturgüter, hat das Umwelt-Ministerium Ausschlusszonen für Windenergie im Umkreis dieser Stätten eingerichtet. Diese Politik entstand nach der im Jahr 2011 aufgeworfenen Frage rund um das UNESCO-klassifizierte Gebiet des Mont-Saint-Michel, wo Windparkprojekte, die sich bis zu 25 km entfernt befinden, nach einem negativen Bericht einer UNESCO-Expertenmission eingestellt wurden.
Auch in Deutschland wurden trotz der erzwungenen Energiewende verschiedene Windparkprojekte aufgegeben, weil sie zu nahe an ikonischen Kultur- und Landschaftsbildern liegen. Gerade wegen dieser sensiblen Eigenschaften wurden diese Stätten zum UNESCO-Weltkulturerbe erklärt.
Die Schweiz kann es sich nicht leisten, dieser kritischen Problematik ungenügende Aufmerksamkeit zu schenken. Die Umweltorganisationen fordern, dass den Risiken, die Windparkprojekte für die Nachhaltigkeit von klassifizierten Standorten darstellen, ernsthaft Rechnung getragen wird.