Gigantismus ohne Grenzen? Die Risiken höherer Windkraftanlagen im Blick

Angesichts der wachsenden Kritik an Windparks zeichnet sich ein neuer Trend ab: der Bau grösserer Windräder, um deren Ertrag zu optimieren und die visuelle Beeinträchtigung zu minimieren. Doch dieser Gigantismus wirft viele Fragen auf. 

Während klassische Windräder eine Höhe von 150 bis 200 Metern erreichen, wird die derzeit im brandenburgischen Raum entstehende höchste Windkraftanlage in Europa 300 Meter messen, also 365 Meter bis zur Blattspitze. Nahe Schaffhausen werden ebenfalls drei Windräder mit 245 Metern Höhe installiert, während der Windpark Verenafohren bereits mit 200 Meter hohen Anlagen ausgestattet ist. 

Auch die Schweiz bleibt von diesem Trend nicht verschont: Die grösste Windkraftanlage des Landes, in der Nähe von Chur, erreicht 180 Meter, während in mehreren Regionen bereits Projekte für Windräder von 250 Metern und mehr geplant sind. Einige Vorhaben, wie der Windpark Thundorf (TG) mit seinen 265 Meter hohen Turbinen, wurden jedoch im November 2024 abgelehnt. Dennoch ist die Tendenz zum Gigantismus auch hier spürbar.

Die Illusion der Effizienz: Sind grosse Windräder eine echte Lösung? 

Die Höhenwinde sind deutlich stärker und gleichmässiger, da sie weniger Hindernisse wie Hügel oder städtische Gebiete überwinden müssen. Zudem verringert eine geringere Anzahl von Windrädern die visuelle Beeinträchtigung. Doch ist das wirklich so einfach? 

Wir sind bereits mit Herausforderungen wie Erdaushub, dem Bau und der Erweiterung von Zufahrtswegen für den Materialtransport vertraut. Wie werden sich diese Probleme mit immer noch grösseren Windrädern entwickeln? Wie können wir sicherstellen, dass die Fundamente genügend stabil sind, um Unfälle zu vermeiden? 

Ausserdem werden die Auswirkungen auf die Biodiversität zunehmen, insbesondere wegen der Grösse der Windräder und ihrer Rotationsgeschwindigkeit von bis zu 360 km/h an den Blattspitzen. Die französische Gesellschaft für den Schutz von Säugetieren (SFEPM) weist darauf hin, dass die Rotorblätter für viele Kollisionen mit Vögeln und Fledermäusen verantwortlich sind. „Ein Vogel kann einem Auto, das mit 60 oder 80 km/h fährt, nicht ausweichen – wie sollte er das also können bei einem Rotorblatt, das sich mit 250 km/h dreht?“ 

Windkraft am Scheideweg: Mangelnde Erfahrung in der Gigantismus-Ära

Haben wir überhaupt ausreichend Erfahrung mit älteren Anlagen, um den nächsten Schritt in der Windenergieentwicklung zu wagen? Simon Hog, ein Experte für erneuerbare Energien an der University of Durham in England, bezweifelt dies: „Ich kenne keine andere Branche, die so schnell neue Modelle einführt, bevor die bisherigen Leistungen ausreichend bewertet werden konnten. Das birgt erhebliche Risiken.“

Zeit für einen Stopp? Die Unsicherheit der Windkraft-Giganten 

Viele Industrieführer wie Anders Nielsen, Technologiedirektor bei Vestas, einem dänischen Hersteller von Windturbinen, halten eine Pause in der Jagd nach Gigantismus für notwendig, um die Nachhaltigkeit des Sektors zu sichern und die Ziele für saubere Energie zu erreichen: „Um auf die Marktnachfrage zu reagieren, muss die Entwicklung der Turbinen verlangsamt werden; die Industrie braucht Zeit, um zu reifen“, sagt er. 

Ein Umdenken und eine sorgfältige Analyse sind essenziell, um sicherzustellen, dass wir nicht nur nach höheren Zielen greifen, sondern auch unsere Natur und Lebensgrundlagen schützen.